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Wer sich solidarisch zeigt, der lindert kein Leid, denn durch jenen Akt des Nichthandelns soll ausnahmslos eine Verbundenheit Ausdruck finden, die doch in den allermeisten Fällen nicht vorherrschend ist. Niemand spürt ein Leid gleichermaßen, und ohne das Fehlen empathischen Fähigkeit ist Solidarität zu einem heuchlerischen Element des Nichttuns verkommen.

Ein großer Solidaritätsbekundender kann der widerwärtigste Mensch sein, wenn er das Ganzheitsbewusstsein lediglich als billigendes Instrument für seine Machenschaften einsetzt. Daher sollte Solidarität ausschließlich dann Ver- oder eher Anwendung finden, sofern nach ihr eine augenblickliche Hilfestellung beziehungsweise eine unmittelbare Aktion darauf folgt. Ohnehin ist die Erwähnung unbrauchbar, weil das Gleichfühlen in den allerwenigsten Umständen vorherrschend ist.

Unterm Strich ist Leid für alle Menschen erkennbar, denn ein vernunftbegabtes Lebewesen strebt nach einer gemeinsamen Empfindsamkeit.

Über den Strich sieht es anders aus, denn beim Leid hört das emotionale Einheitsbedürfnis hinlänglich auf in der Gesamtheit zu existieren. Bereitwillige und aktive Hingabe verliert sich in den Weiten des individuellen Seins, dass nach dem Leitprinzip „gemeinsam leben, alleine untergehen" sein Dasein fristet. Anders ausgedrückt: Ein glücklicher Mensch ist jemand, der mehr Freude als Leid empfindet. Ein solcher Mensch taucht niemals aus freien Stücken komplett in das Leid eines anderen Wesens ein, vor allem nicht aus solidarischen Gründen. Utilitaristische Motive folgen stets dem eigenen Wohlbehagen.

Das Leid Fremder zu erkennen, es zu verstehen und in ihm einzutauchen ist jedoch oberste Prämisse aller Lebendigen! Die grundsätzliche Abwehrreaktion fördert und fordert eine abermalige Konfrontation in gleicher, oder gar dramatisch verschärfter, Qualität und Quantität. Die eigene Klarheit und die Reinheit des Geistes werden durch die Zuführung fremden Leids nicht beschmutzt. Und dennoch wird die Wahrnehmung verändert, die dem eigenen Selbst in leidvollen Situationen als Stütze dienen wird.

Nicht das eigene, bereits erlebte Leid hilft dem Einzelnen bei zukünftigen Leidmomenten. Es ist das fremde Leid, dass man in sich trägt, und auf dem man getragen wird in schweren Zeiten. Derjenige, mit dem man eigens Leid teilen kann, wird sich später (einmal) selbst glücklich schätzen.

Hochempahtievoll, ţ.


Bildquelle: https://en.wikipedia.org/wiki/United_States_fifty-dollar_bill#/media/File:US-$50-LT-1862-Fr-148a.jpg